Schmidt Mária

Jan Mainka: „Fester Platz im Herzen der Ungarn“

Jan Mainka interjúja Schmidt Mária történéssszel, a Terror Háza Múzeum főigazgatójával a Budapester Zeitungban.

Gespräch mit Mária Schmidt, der Direktorin des Museums Terrorhaus

Vor gut zehn Jahren öffnete das Terrorhaus, das umstrittenste und zugleich erfolgreichste Museum Ungarns, seine Pforten. Es beschäftigt sich mit der Darstellung der beiden ungarischen Diktaturen des letzten Jahrhunderts, einschließlich ihrer Wirkungsmechanismen. Die Budapester Zeitung sprach mit der Museumsgründerin und Direktorin, Historikerin Mária Schmidt, unter anderem über die Schwierigkeiten gleich nach der Eröffnung, das Jubiläumsjahr 2012 und das zweite Jahrzehnt ihres Museums.

Es muss bedrückend sein, unter einem Dach mit Folterkammern und vielen anderen schrecklichen Zeugnissen der Dikta­turen des letzten Jahrhunderts zu arbeiten.
Wir versuchen uns davon unabhängig zu machen. Das ist halt unser Arbeits­platz. Ich finde aber nicht, dass meine Mitarbeiter und ich auf die Dauer abstumpfen würden. Ganz sicher ist es emotional anders hier zu forschen, als in irgendeinem beliebigen Bürohaus.

Immerhin geraten so die Verbrechen insbesondere des Kommunismus nicht aus Ihrem Blickfeld. Bei der Bevölkerung ist man sich da manchmal nicht so sicher.
Ich glaube nicht, dass die Menschen die kommunistische Vergangenheit stärker verdrängen würden als die Nazi-Vergangenheit. In Ungarn herrsch­ten die Kommunisten schließlich fast ein halbes Jahrhundert. Das vergisst man nicht so leicht. Zumal in diese Zeit die ungarische Revolution von 1956 fiel und die anschließende Phase der grausamen Vergeltungsmaß­nah­men. Das alles ist in uns. Jetzt, zu unserem 10. Geburtstag kamen viele Gäste zu uns, einfach nur, um eine Kerze anzuzünden. Es ist für unser ganzes Land eine großartige Sache, dass es einen nationalen Erinnerungs­ort wie den unseren gibt. Hierhin kann man sich mit seiner Trauer wenden, hier kann man für seine Angehörigen eine Kerze aufstellen und den Opfern der beiden Diktaturen gedenken. Diese gesellschaftliche Wertschätzung erfüllt meine Mitarbeiter und mich mit einem großen Stolz.

Das Terrorhaus ist also mehr als nur ein Museum, sondern auch ein Denk­mal?
In der Tat! Auch an der Schwelle zum 21. Jahrhundert müssen wir uns immer wieder an die Verbrechen des 20. Jahrhunderts erinnern. Gleichzeitig dürfen wir aber nicht zulassen, dass wir die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht als freie Menschen angehen können. Wir haben genug neue Herausforderungen, sodass wir uns nicht auch noch mit den Lasten in der Vergangenheit unnötig belasten sollten.

Also lieber vergessen statt erinnern?
Nein, es geht nicht darum, etwas zu vergessen. In unserem tiefsten Inneren tragen wir die Vergangenheit ohnehin fest in uns. Wir müssen aber lernen, dass die Geschichte ihren Platz in der Geschichte hat und nicht in unserem aktuellen Leben. Erst recht, wenn es sich nicht um unser eigenes Leben handelt, sondern das Leben unserer Väter und Großväter. Es ist nicht gesund, wenn wir die Verbrechen der Vergangenheit immer wieder als eigenes Trauma und eigene Last erleben. Zumal dies oft in aufrichtige, ritualisierte Betroffenheitsübungen mündet. Damit ist niemandem geholfen.

Wie einzigartig ist das Terrorhaus in Osteuropa?
Wir waren die erste Ein­rich­tung dieser Art in Osteuropa. Inzwischen sind wir aber nicht mehr allein. Wir sind zwar immer noch die größte derartige Einrichtung und viele betrachten uns nach wie vor als Vorbild. Ähnliche Museen gibt es inzwischen aber auch in Riga und Tallin. In Polen ist etwas Ähnliches geplant. Ebenso in Bukarest und in Kiew. In Prag gibt es ein kleines Privatmuseum zu diesem Thema.

Wie kam es, dass der Pro­to­typ all dieser Museen ausge­rech­net in Budapest entstanden ist?
Es war ganz einfach einer günstigen politischen Kons­tel­lation zu danken. Die erste Orbán-Regierung stand voll auf der Seite unserer Initiative. Es gab einen starken politischen Willen. Weil viele fest entschlossen auf die Schaffung eines solchen Museums hinarbeiteten, wurde diese Vision schließlich Wirklichkeit. Noch dazu auf einem hohen künstlerischem Niveau. Selbst heute nach zehn Jahren wirkt unser Museum alles andere als angestaubt. Am Anfang wurden wir unter anderem deswegen immer wieder hart angegriffen. Vielen war unser Museum zu modern und zu ungewohnt. Wie bei einem guten Wein braucht aber auch ein Museum seine Zeit. Jetzt gibt es solche Angriffe nicht mehr.

Am Anfang wurden sie nicht nur wegen Äußerlichkeiten angegriffen.
Viele erschraken, als sie sahen, dass das Museum eine sehr wirksame Sprache verwendet. So war es in der Lage, auch Botschaften, die gewissen Leuten nicht genehm waren, sehr wirkungsvoll zu vermitteln. Auch Menschen, die sonst eher schwer zu erreichen sind. Ich denke da nicht zuletzt an Jugendliche. Mit dicken Büchern und Aufsätzen werden diese immer weniger erreicht, mit unserem Museum und seiner Sprache aber schon.

Worin äußerten sich die Angriffe gegen Ihr Haus?
Unter anderem in bösartigen Zei­tungs­artikeln. Innerhalb nur eines Jah­res wurden etwa 2.600 Artikel gegen unser Museum geschrieben, viele sogar, ohne dass ihr Autor unser Museum einmal selbst in Augenschein genommen hätte. Es passte einigen Leuten einfach nicht ins Konzept. Kein Wunder schließlich trug unser Mu­seum wirkungsvoll dazu bei, das Deu­tungs­monopol der Linken bezüglich des 20. Jahrhunderts zu zerstören. Unser Museum hat die Geschichte dieses Jahrhunderts in einen neuen, viel wirkungsvolleren Deutungsrahmen gestellt. Die Hauptanklage von vor zehn Jahren, nämlich dass man die beiden totalitären Diktaturen nicht vergleichen darf, ist heute – nicht zuletzt dank unseres Wirkens – völlig obsolet. Heute ist allgemein anerkannt: Beide totalitäre Systeme können nicht nur miteinander verglichen werden, sie müssen es auch. Nur so kann man ihre Wirkungsmechanismen begreifen. Genau das war unsere Absicht. Des­halb haben wir Zeugnisse beider Ter­ror­systeme unter einem Dach vereint.

Über ein zu geringes Medienecho konnten Sie sich jedenfalls nicht beklagen!
Indem wir angegriffen wurden, erhielten wir zugleich die Mög­lichkeit, unsere Ansichten mitzuteilen. So begannen die Menschen, gemeinsam mit uns über unsere jüngere Ver­gangenheit nachzudenken. Inner­halb der Gesell­schaft, aber auch innerhalb von Fami­lien. Es erfüllt uns mit Genugtuung, dass wir dazu beigetragen haben, diesen Dialog, dieses Nach­denken über die Vergangenheit mit angestoßen zu haben. An diese Wirkung hatten unsere damaligen Gegner freilich nicht gedacht, als sie uns so vehement angriffen. Sie waren zu zornig darüber, dass es jemand gewagt hatte, Ihnen das Deutungs­mo­nopol streitig zu machen. Sie waren vor lauter Wut dermaßen verblendet, dass es Ihnen nicht in den Sinn kam, dass ihre Angriffe gegen uns genau das Gegenteil bewirken könnten und schließlich auch bewirkten.

Ihre Gegner spendeten Ihnen kostenloses Marketing.
Monatelang standen die Besucher nach unserer Eröffnung vor unserem Museum Schlange. Für ein Museum erfreuten und erfreuen wir uns einer hohen Popularität. Bei vielen ungarischen Schulklassen gehört ein Besuch bei uns zum festen Programm. Auch bei vielen ausländischen Besuchern unserer Hauptstadt erfreuen wir uns einer hohen Popularität. Wir sind fester Programmpunkt vieler Städtetou­ris­ten. Auf all diese Erfolge sind wir sehr stolz.

Von Ihren Kritikern wurden Sie auch wegen der emotionalen Präsentation des Inhalts Ihres Museum angegriffen.

Ja, besonders von den Deut­schen. Das ist sehr eigenartig, denken wir nur an die deutsche Roman­tik! Angesichts einer solchen gefühlsbetonten Vergangen­heit verstehe ich nicht, warum gerade die Deut­schen so sehr gegen Gefühle sind. Immer wieder musste ich mir von deutscher Seite den Vor­wurf anhören, dass bei uns zu sehr die Gefühle angesprochen werden und zu wenig der Intellekt. Dabei ist doch der Mensch in erster Linie ein Gefühlswesen. Erst muss man seine Gefühle ansprechen, dann seine Ver­nunft. Ohne Gefühle geht nichts. Obwohl das eine unbestrittene Tat­sa­che ist, war bei den meisten deutschen Kritikern die Sache mit dem Gefühl der größte Einwand gegen das Museum. Ihr Haupt­vor­wurf lautete immer wieder, das Museum wirke zu stark auf die Gefühle. Aber genau das war es ja, was ich wollte. Ich wollte, dass die Men­schen, die das Museum besuchen, insbesondere die Jugendlichen, die das Glück hatten, dass sie keine der Dikta­turen persönlich erdulden mussten, die ganze Menschenfeindlichkeit und Menschenverachtung beider Systeme regelrecht am eigenen Leib erfahren. Sie sollten ein Gefühl bekommen von ihrer Grausamkeit, von den unheimlich vielen Menschenleben und Le­bens­läufen, die von beiden Systemen zerstört worden sind. Dies sollte nicht zuletzt in das gute Gefühl münden, was für eine hervorragende Sache es ist, heute frei und ohne Angst in einem demokratischen Land zu leben.

Mit den Angriffen ist es inzwischen aber vorbei, oder?
In Ungarn im Prinzip ja. Hier gibt es keine Angriffe mehr. Heute ist unser Museum bei der breiten Öffentlichkeit voll akzeptiert. Unsere Veranstal­tun­gen sind gut besucht. Mit Sonder­aus­stellungen, Vorträgen und Konfe­ren­zen wenden wir uns immer wieder Themen zu, die in der Öffentlichkeit auf großes Interesse stoßen. Dabei achten wir auch darauf, nicht nur neue Themen, sondern auch neuartige Aspekte zu präsentieren. Prinzipiell ist es uns wichtig, dass bei der Bear­beitung der Themen nicht nur ein As­pekt zur Geltung kommt, sondern mehrere. Regelmäßig laden wir zu unseren Konferenzen auch zahlreiche Experten aus dem Ausland ein. Bei einer Konferenz über János Kádár luden wir beispielsweise seinen langjährigen russischen Dolmetscher ein. So gelang es uns, Aspekte aufzuzeigen, von denen wir sonst vielleicht nichts erfahren hätten.

Auf welche Konferenzen können wir in Ihrem Jubiläumsjahr gespannt sein?
In der zweiten Jahreshälfte wollen wir eine Konferenz und Ausstellung zum Leben und Wirken von Kar­di­nal József Mindszenty durchführen. Der in dieser Woche endlich vollständig rehabilitierte Kardinal hatte sich gegen beide totalitären Dikta­turen gewandt und saß unter beiden im Gefängnis. Couragiert trat er stets für die christlichen Werte ein. Aber auch gegen konkrete Dinge wie die Aussiedlung der Schwaben, den Bevölkerungsaustausch in der Tschechoslowakei und die Ver­schlep­pungen in den Gulag.

Was wollen Sie mit der Mind­szenty-­Ausstellung erreichen?
Jahrzehntelang wurde in Bezug auf seine Person und seine Rolle viel gelogen. In der Zeit der kommunistischen Diktatur musste seine geistige Autorität um jeden Preis zerstört werden. Die christliche Werteord­nung, die er kompromisslos vertrat, stellte für die kommunistische Ideo­logie eine nicht zu tolerierende Be­dro­hung dar. Dieser konnten die Kommunisten nur so Herr werden, indem sie den Ruf von Mindszenty systematisch diskreditieren. Sie leisteten dabei eine so gründliche Arbeit, dass dieses verfälschte Mind­szenty-Bild auch heute noch in den Köpfen vieler Ungarn ganz oder teilweise herumgeistert. Und selbst wenn er bei vielen nicht mehr als diskreditierte Person dasteht, so hat er noch immer nicht den Platz eingenommen, der ihm zusteht.

Welchen?
Alle Ungarn haben Grund genug, auf ihn stolz zu sein, da er in einer Zeit, in der dies am notwendigsten war, unerbittlich für die Wahrheit und Ge­rechtig­keit eingetreten ist.

Zuweilen war er dabei völlig allein. Für seinen Glauben nahm er große persönliche Opfer auf sich. Fast sein ganzes Leben lang verbrachte er für seine Überzeugung entweder im Ge­fängnis oder in der Verbannung. Sein ganzes Leben legt ein beredtes Zeug­nis für sein Eintreten für Wahrheit und Menschlichkeit ab. Ich finde, es ist wichtig zu zeigen, dass es moralisch so hoch stehende Leute wie ihn nicht nur in der ferneren Geschichte, sondern auch in unserer nahen Vergangenheit gegeben hat. Vorbilder wie ihn brauchen wir heute. Die Helden, die uns das kommunistische Regime aufoktroyiert hat, waren leider keine richtigen Helden. Wir brauchen echte Hel­den, deren Andenken Zeiten und Regime überdauert und das es wert ist, unseren Kindern, den nachfolgenden Generationen zu übermitteln.

Welche Sonderausstellung der letzten Jahre würden Sie besonders hervorheben?
Besonders sehenswert und aufschlussreich fand ich persönlich unsere Ausstellung über die Aussiedlung der Schwaben. Es war eine sehr schöne und zugleich auch sehr erschütternde Ausstellung. Es war unsere meistbesuchte Ausstellung. Für die Eröffnung konnten wir einen namhaften Künstler gewinnen, dessen Großeltern deportiert worden waren. Auch das bescherte uns eine große Aufmerksamkeit. Generell ist unser Museum alles andere als elitär und abgehoben. Mit allem, was wir tun, wollen wir möglichst breite Bevölkerungsschichten ansprechen. Bei der Schwabenausstellung wollten wir möglichst vielen Men­schen zeigen, welch fürchterlichen Ver­lust die Vertreibung unserer schwäbischen Mitbürger für Ungarn bedeutete und bedeutet.

Welche Pläne haben Sie für das nächste Jahrzehnt Ihres Museums?
Wir wollen einige Renovierungs­maß­nah­men durchführen und das Mu­seum um einen weiteren, größeren Raum für Sonderausstellungen erweitern. Bei der Dauerausstellung wären in Sachen Visualisierung und Multi­media dringend einige Moderni­sie­rungen nötig. Ich halte aber nichts von Flick­werk. Wenn wir uns an die Er­neue­rung machen, dann soll sie umfassend sein, so dass wir uns dann möglichst erneuert wieder zehn Jahre anderen Dingen zuwenden können. Alles hängt aber davon ab, ob wir vom Staat die nötigen Mittel erhalten.

Warum sollte das unter dieser Re­gie­rung fraglich sein?
An einen Mangel an Sympathie liegt es bestimmt nicht. Aber jetzt müssen halt alle Institutionen sparen. Im Moment bin ich, was zusätzliche Mittel betrifft, sehr skeptisch. Alles dreht sich jetzt darum, dass wir die von Brüssel geforderten drei Prozent Haushaltsdefizit nicht überschreiten.

Das Terrorhaus ist eines der, wenn nicht sogar das wirtschaftlich erfolgreichste, Museen Ungarns. Dennoch müssen Sie sich um Ihre Finanzen Sorgen machen?
Wir erwirtschaften über Ticketver­käufe die Hälfte unserer Mittel selbst. Das ist weit über dem Durchschnitt, der bei etwa zehn Prozent liegt. Die fehlenden Mittel erhalten die Museen hauptsächlich vom Staat. Leider haben wir aber nichts davon, dass wir im Ver­gleich zu anderen Mu­seen sehr gut wirtschaften. Da der Staat bei uns nicht 50, sondern nur 10 Prozent dazulegen muss, sollte man meinen, dass er bei uns etwas großzügiger sein könnte. Dem ist aber leider nicht so. So sind wir etwa bei besonderen Programmen gezwungen, Sponsoren zu suchen. Bei Kon­fe­renzen kooperieren wir schon seit Jahren – auch aus finanziellen Gründen – mit der Konrad-Ade­nau­er-Stiftung. Der­zeit planen wir mit der Stiftung eine Konferenz über George Bush und seine Rolle bei der Been­di­gung des Kalten Krieges. Der ältere George Bush war für Mittelosteuropa der wichtigste US-Präsident.

Besonders hart mussten Sie sich mit den leidigen Finanzen gleich nach Ihrer Eröffnung auseinandersetzen.
Ja, durch den Regierungswechsel unmittelbar nach unserer Eröffnung begannen für unser Museum schwere Zeiten. Während das Museum für die Fidesz-Regierung noch eine wahre Herzensangelegenheit gewesen war, konnte davon bei den neuen, ab 2002 herrschenden sozialliberalen Regierun­gen keine Rede mehr sein. Besonders der Juniorpartner der MSZP, der SZDSZ ließ nichts unversucht, unser Museum dicht zu machen. Vor allem in den ersten Jahren wurden wir permanent bedroht und angezeigt. Mit allen möglichen Tricks und Kniffen wurde versucht, uns finanziell das Wasser abzugraben. Aber wie Sie sehen: Der SZDSZ ist verschwunden, wir sind eine erfolgreiche Institution geblieben. Heutzutage spielt der SZDSZ höchstens noch im Westen eine Rolle. Die ungarischen Wähler waren weise genug, dieser destruktiven Partei geschlossen die Rote Karte zu zeigen. Für uns ist es sehr erleichternd, dass wir uns seit 2010 nicht mehr mit den Hassattacken dieser Partei beschäftigen müssen, sondern uns voll auf unser Museum und unsere wissenschaftliche Arbeit konzentrieren können. Dass wir die schweren acht Jahre überstehen konnten, ist übrigens nicht zuletzt dem Einsatz der Sozialisten zu verdanken. Insbesondere der damalige Ministerpräsident Péter Medgyessy nahm uns gegen die Angriffe des SZDSZ in Schutz. Dafür wurde er vom SZDSZ heftig angegriffen. Mit den Sozialisten, also den KP-Nach­fol­gern, konnten wir paradoxerweise einfacher zusammenarbeiten als mit den Liberalen, den einstigen Dissi­denten.

Wie erklären Sie dieses eigenartige Phä­nomen?
Der SZDSZ war innerhalb der modernen ungarischen Demokratie mit Ab­stand die doktrinärste Partei. Kein Wunder, dass die Partei 2010 von den ungarischen Wählern aus dem politischen Leben Ungarns entfernt wurde, sie war einfach nicht mehr auszuhalten. Von der ersten Minute an zeigten die SZDSZler auch keinerlei Neigung, unser Museum zu tolerieren.

Warum nicht?
Unter anderem, weil ihnen jegliche Leistung anderer gegen den Strich geht. Kein Wunder, konnten sie selbst doch kaum etwas Positives vorweisen. Nur Trümmer. Unsere zwanzig Jahre lang von einem SZDSZ-Oberbürger­meister regierte  Hauptstadt Budapest ist das beste Beispiel für das Wirken dieser Partei. Denken Sie nur an die Tragödie um den Bau der Metrolinie 4, die völlig ausgeplünderten Bu­da­pester Verkehrsbetriebe BKV, das immer noch leer stehende Mehr­zweck­gebäude CET und so weiter. Fast alles, was SZDSZler anfassten, endete in einem Desaster, wurde zum Milliar­den­grab für Steuergelder oder zum Kor­rup­tionssumpf. Als die Stadtführung 2010 in konservative Hände ging, war Budapest wirtschaftlich fast völlig ruiniert. Das einzige, was man den SZDSZlern als Leistung wirklich zuerkennen muss: Sie haben dafür gesorgt, dass das an sich positive Wort „liberal“ in Ungarn zum schwer diffamierenden politischen Schimpfwort geworden ist. Und das ausgerechnet in einem Land, in dem die größten Po­li­tiker Liberale waren: Deák, Eötvös, Tisza, Bethlen…

Wie kann eine einstige Dissidenten­par­tei ein Museum hassen, das sich unter anderem mit der Aufarbeitung der kommunistischen Zeit beschäftigt…

Der SZDSZ hat unser Museum von Anfang an abgrundtief gehasst. Als unser Museum 2002 eröffnete, wohnten dem etwa 130.000 Ungarn bei. Viele davon in stiller Andacht mit einer Kerze in der Hand. Was machte währenddessen der SZDSZ? Er verspottete uns und unsere Gäste mit einem provokativen Konzert mit einer fröhlichen Stimmungsband nicht weit von hier auf dem Heldenplatz. Das war eine pietätlose Aktion sondergleichen. Zumal, wenn man bedenkt, dass bei uns nicht nur an die Opfer des Kommunismus, sondern auch der Pfeilkreuzlerherrschaft erinnert wird. Die Wähler vergessen eine so deutliche symbolische Handlung aber zum Glück nicht. Wer weiß heute noch, wie hoch 2002 das ungarische Brutto­in­landsprodukt war? An die geschmacklose Aktion des SZDSZ können sich aber noch sehr, sehr viele ungarische Bürger erinnern. In einem ungarischen Wochenmagazin gibt es regelmäßig eine Umfrage nach der unbeliebtesten Partei. Bis auf den heutigen Tag führt der SZDSZ, obwohl es die Partei seit zwei Jahren praktisch nicht mehr gibt. Die SZDSZler wiederrum haben bis zum heutigen Tag nicht begriffen, warum sie bei der ungarischen Bevöl­kerung so verhasst sind. Sie verstehen auch nicht, warum sich keiner mehr für das, was sie sagen, interessiert und hier niemand mehr Notiz von ihnen nimmt. Umso dankbarer sind sie für die gewaltige Aufmerksamkeit und Wertschätzung von Seiten westlicher Politiker und Medienvertreter. Ich hoffe, auch bei denen spricht es sich langsam herum, dass die ehemaligen SZDSZ-Vertreter niemanden vertreten als sich selbst, geschweige denn Teile der ungarischen Bevölkerung.

Warum haben sich gerade die Sozia­listen so stark für Ihr Museum eingesetzt?
Weniger aus ehrlicher Überzeugung, sondern überwiegend aus taktischen Erwägungen. Die Sozialisten wussten damals ganz genau, dass es ihnen ein Großteil unserer in- und ausländischen Unterstützer sehr übel nehmen würde, sollte das Terrorhaus geschlossen werden. Ihr ganzer Mythos, nämlich, dass es sich bei der MSZP nicht um eine Nachfolgepartei, sondern um eine neue, „reine“ Partei handelt, wäre durch Angriffe auf unser Museum ins Wanken geraten. Es war für die Sozialisten also einfach eine Identitäts­frage, unser Museum zu unterstützen. Gegenüber dem Ausland wären sie in schwere Erklärungsnöte geraten, wenn sie unser Museum geschlossen hätten. Selbst dem ehemaligen Geheim­dienst­agenten Medgyessy war sonnenklar, dass es hier eine Grenze gab, die nicht überschritten werden durfte. Und überhaupt: Die Sozialisten haben es nie gerne gesehen, wenn ihr kleiner Koalitionspartner SZDSZ Anstalten machte, sie zu gängeln.

Seit 2010 können Sie in Ruhe arbeiten.
Ja, die Angriffe des SZDSZ konzentrierten sich aber vor allem auf die Jahre bis etwa 2006. Als sie langsam merkten, dass sie damit bei der MSZP auf Granit bissen, ließen sie zähneknirschend von uns ab. Seit 2010 sind wir aber endgültig in ruhigen Gewässern angelangt.

Welche Wünsche und Visionen haben Sie für die Zukunft?
Ich hoffe, dass wir stets ausreichend Geld zur Verfügung haben, um unsere Existenz zu sichern – egal, welche Regierung gerade an der Macht ist. Unser Haus hat sich einen festen Platz im ungarischen Museums-Kanon, aber was für mich noch viel wichtiger ist, im Herzen der Ungarn erworben. Unter der Ägide unseres Hauses möchte ich noch viele Kon­ferenzen durchführen und Pub­li­kationen herausgeben. Beson­ders freuen würde ich mich übrigens, wenn wir bei dem einen oder anderen zukünftigen Projekt nicht nur auf die Unterstützung durch ungarische, sondern auch deutsche Firmen bauen könnten.